Elektrizität

Entwicklung

Infolge des geringen Elektrifizierungsgrads wurden 1910 erst 3,5% des schweizerischen Endenergiebedarfs durch Elektrizität gedeckt. Dies ist wenig verwunderlich, wurden doch beispielsweise im Bereich der Haushalte 1912 erst rund 300 elektrische Haushaltküchen mit durchschnittlich 1,5 kW Anschlussleistung registriert.

Die zunehmende allgemeine Elektrifizierung und die Verknappung der übrigen Energieträger in den beiden Weltkriegen führten zu einem starken Aufschwung der Wasserkraft, wodurch ihr Marktanteil am Energieverbrauch bis 1940 auf 15% zunahm. Trotz kräftigen Ausbaus der Produktionskapazitäten kam es vor allem während der Kriege, aber auch danach immer wieder zu zwangsweisen Konsumeinschränkungen. Die letzten Beschränkungen wurden im "Seegfrörni-Winter" von Januar/Februar 1963 verfügt.

Der Endverbrauch an elektrischer Energie steigerte sich während der 60er Jahre im Mittel um 4,7% pro Jahr. Ab 1970 verlangsamte sich die Zunahme, lag aber immer noch über 3%. Die siebenjährige wirtschaftliche Stagnationsphase ab 1990 führte sogar fast zu einem Nullwachstum. Die Wirtschaft restrukturierte sich in dieser Zeit durchgreifend und setzte zu einem neuen Wachstumsschub an, der sich seit 1998 wieder in deutlichen Bedarfszunahmen bei der Elektrizität widerspiegelt.

1998 betrug der Marktanteil der Elektrizität am Endenergieverbrauch 21,1%. In der Industrie und in Gewerbe/Landwirtschaft/Dienstleistungen lag die entsprechende Zahl sogar bei 35,1% bzw. bei 36,1%.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde elektrische Energie in verschiedensten Qualitäten, nämlich etwa hälftig als Gleichstrom und hälftig als ein- bis dreiphasiger Wechselstrom unterschiedlicher Spannungen und Frequenzen angeboten. Die zunehmende Zusammenschaltung der Netze führte zur Vereinheitlichung des Produkts Strom und erlaubte die optimierte Nutzung verschiedener Kraftwerkstypen. So wurde die Kombination des Flusskraftwerks Beznau mit dem Speicherkraftwerk am Löntsch zum Herzstück der Nordostschweizerischen Kraftwerke im Jahre 1914.

Waren 1885 noch rund 20% der Elektrizität fossil-thermisch erzeugt worden, sank dieser Anteil bis 1910 auf unter 5% und wurde bis zum ersten Weltkrieg vernachlässigbar gering. Das Bundesgesetz von 1918 über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte gab dem Ausbau der Wasserkraft weitere neue Impulse.

Der stärkste Ausbau erfolgte in der Zeit zwischen 1950 und 1970, während der sich die Produktion auf das 2,4-fache erhöhte. Eine weitere Steigerung der Wasserkraft war von da an fast ausschliesslich über einen Weiterausbau oder den Ersatz bestehender Anlagen möglich. In der ersten Hälfte der 60er Jahre stellte sich daher die Frage nach der Deckung des künftigen Elektrizitätsbedarfs. In diese Zeit fällt der Beginn der Stromeinspeisung von Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), die Inbetriebnahme des ersten grossen ölbefeuerten Kraftwerks bei Vouvry (286 MW, 1966) und der Bau von WKK-Anlagen in der Papier-, in der mineralölverarbeitenden und chemischen Industrie.

Aus Kosten- und Umweltgründen - die als Alternative geplanten Öl- und Kohlekraftwerke stiessen auf starke Opposition - wurde im Einklang mit dem Bundesrat die Kernenergie priorisiert und die Umsetzung der Projekte zügig in die Hand genommen. 1969 ging die Anlage Beznau 1 in Betrieb. In kurzem Abstand folgten die Anlagen Beznau 2 und Mühleberg. 1977 erreichte der Anteil der Kernenergie 17% der Landeserzeugung. Innert weniger als einem Jahrzehnt entstand so ein neues Standbein für die Landesversorgung, das zudem gerade im Umfeld der Erdölkrise als vorteilhafte Diversifikation erschien.

Der Bau der weiteren Anlagen Gösgen und Leibstadt führte zu grossen politische Diskussionen, welche den weiteren Vormarsch der Kernkraft in der Schweiz faktisch stoppten. In den 90er Jahren waren deshalb einzig noch Leistungserhöhungen bei den bestehenden Anlagen möglich, die immerhin ein beachtliches Volumen kostengünstiger Mehrproduktion erlaubten.

Im Hinblick auf mögliche Engpässe nach der Jahrtausendwende und mit Bezug auf den öffentlichen Versorgungsauftrag wurden in den 90er Jahren vereinzelt weitere Investitionen in grössere Projekte getätigt. Im Rahmen des Aktionsprogramms "Energie 2000" des Bundes und unterstützt durch die Elektrizitätswirtschaft wurden Förderprogramme zugunsten der neuen erneuerbaren Energien eingeleitet. Aber auch WKK-Anlagen aller Grössenordnungen und KVA verzeichneten in diesem Jahrzehnt attraktive Zuwachsraten in der Stromerzeugung.

Die unerwartete wirtschaftliche Stagnationsphase führte jedoch kombiniert mit den Strommarkt-Liberalisierungsplänen in der EU und in der Schweiz zu Überkapazitäten.

1998 betrug der Anteil der hydraulischen Produktion an der Landeserzeugung 56,3%, der Anteil der Kernkraftwerke 40,0%, während die konventionell thermischen rund 3% und die neuen erneuerbaren (Strom aus KVA zu 50% berücksichtigt) rund 1% beitrugen.

 

Statistische Methodik

Bis 1930 wurden die Produktions- und Verbrauchsdaten von privaten Organisationen gesammelt. Man war dabei stark auf Schätzungen angewiesen, und die Systematik entsprach nicht der heute verwendeten. So existiert auch keine Aufteilung von Produktion und Verbrauch für das Sommer- und Winterhalbjahr.

Seit 1930 basiert die Elektrizitätsstatistik auf Erhebungen der Produktion und der Abgabe an die Endverbraucher durch das heutige BFE. Die Daten der Werke der Allgemeinversorgung werden monatsweise und zusätzlich an allen Mittwochen erhoben. Zusätzlich werden an allen Montagen die Speicherinhalte und an bestimmten Tagen in jedem Quartal Daten zu den Leistungsverläufen erhoben.

Der zur Herstellung der Elektrizität benötigte Primärenergieträger wird bei den Erhebungen nur insofern erfasst, als eine Unterteilung in Speicher- und Laufwasserkraftwerke, konventionell-thermische Kraftwerke und Kernkraftwerke gemacht wird.

Die zur Elektrizitätserzeugung genutzte Wasserkraft ist gleich gross wie die in den Wasserkraftwerken erzeugte Elektrizitätsmenge. Diese Definition entspricht dem internationalen Standard und ersetzt die bis 2005 im schweizerischen Alleingang praktizierte Berechnung mit einem Wirkungsgrad von 80%.

Der Wirkungsgrad der Kernkraftwerke ist mit den hier angenommenen 33% der durch die Kernspaltung erzeugten Wärme etwas tiefer als bei konventionell-thermischen Anlagen, was auf den dort erzielbaren höheren Dampftemperaturen beruht. Über die Primärenergieträger bei den konvetionell-thermischen Anlagen sind keine ausreichenden Statistiken vorhanden, doch kann mit Sicherheit angenommen werden, dass Erdölprodukte den grössten Teil des Bedarfs decken.

Erst in jüngerer Zeit hat die Elektrizitätserzeugung in Kehrichtverbrennungsanlagen eine gewisse Bedeutung erlangt, wobei dort zur Spitzendeckung einerseits mit verschiedenen Brennstoffen (Kohle, Gas oder Öl) zusätzliche Energie zugeführt, andererseits nebst Elektrizität auch, oder vor allem, Fernwärme erzeugt wird. Eine Aufteilung der eingesetzten Primärenergieträger auf die erzeugten Energieträger ist also nicht direkt möglich.