Gas

Entwicklung

Im Laufe des Betrachtungszeitraums wurden unter dem Begriff Gas verschiedene Energieträger verwendet. In der chemischen Zusammensetzung unterscheiden sich diese recht stark. Gemeinsamkeiten gibt es indessen hinsichtlich Aggregatszustand und Distribution. Wesentliche Elemente der letztgenannten, nämlich die Feinverteilnetze und die organisatorischen Strukturen, fussen heute noch auf der gleichen Basis, haben aber im Laufe der Jahre mehrere Entwicklungsschübe erlebt.

Grundsätzlich kann nach drei Abschnitten unterschieden werden:

  • Die lokalen Gaswerke, welche seit Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet worden waren, produzierten das Gas bis in die fünfziger Jahre hauptsächlich aus dem Primärenergieträger Kohle. Der infolge Konkurrenz durch das Heizöl sinkende Absatz des Nebenprodukts Koks läutete das Ende dieser Epoche ein.
  • In den frühen sechziger Jahren begann die Ablösung des Rohstoffs Kohle durch Erdöl-Derivate. Leichtbenzin-Spaltanlagen oder Propan/Luftgemischanlagen ersetzten die Anlagen zur Kohlenentgasung zu dieser Zeit. Gleichzeitig fand ein Strukturwandel der Gaswirtschaft statt, indem vielerorts das lokal produzierte Stadtgas durch Ferngas ersetzt wurde.
  • Ab 1969 erfolgte die Umstellung auf den Primärenergieträger Erdgas. Im nationalen Massstab wurde die Erdgasversorgung im Jahr 1974 verwirklicht. Das Erdgas wurde aus den Niederlanden, Deutschland und Frankreich bezogen. Seither wurde die Transport- und Verteil-Infrastruktur kontinuierlich ausgebaut. Dank diesem Ausbau hat Erdgas als Wärmeenergie eine erhebliche Bedeutung für die Energieversorgung der Schweiz erlangt.

Der Sekundärenergieträger Gas kann grundsätzlich aus Kohle/Holz oder flüssigen/gasförmigen Kohlenwasserstoffen gewonnen werden. In der Schweiz spielte in den ersten fünf Jahrzehnten des betrachteten Zeitabschnitts die Entgasung (trockene Destillation) von Kohle eine dominierende Rolle. Die dabei verwendeten Steinkohlen sollten einen hohen Gehalt an flüchtigen Stoffen, aber auch günstige Eigenschaften in Hinsicht auf die Bildung eines weiterverwendbaren Kokses aufweisen. Sie wurden in gasdichten Kammern auf rund 1000° C erhitzt, wobei Gase (rund 50% Wasserstoff, daneben Methan, Kohlenmonoxid, Stickstoff usw.), flüssige Erzeugnisse (Ammoniakwasser, Teer) und der feste Koks (mit einem Energieinhlat von rund 50% der eingesetzten Kohle entstanden. Zu Zeiten der Kohleknappheit wurde Holz als Ersatzstoff für die Gasproduktion eingesetzt, doch liessen sich darüber keine genauen Angaben auffinden. Bei günstigen räumlichen Gegebenheiten wurden von den Gaswerken in bescheidenem Umfang Fernwärme abgegeben oder Faulgase von Kläranlagen verwertet.

Ab Mitte der 60er Jahre wurde bei einigen Werken das Gas durch Aufspaltung von Kohlenwasserstoffen (Leichtbenzin und Butan) erzeugt. Andere gingen dazu über, ein Propan-Luft-Gemisch über ihr Netz abzugeben.

In den letzten Jahren hat auch die praktische Nutzung von aus Biomasse erzeugten Gasen in Kläranlagen, Kehrichtdeponien und landwirtschaftlichen Betrieben eine gewisse Verbreitung gefunden. Über die Anzahl und vor allem die Energieproduktion bestehen lediglich grobe Schätzungen, denn die Nutzung erfolgt fast ausschliesslich durch Eigenproduzenten.

Anders als das Stadtgas kann der Primärenergieträger Erdgas nach relativ bescheidener Aufbereitung am Ort der Förderung direkt zum Verbraucher geleitet werden. Spuren von Erdgas wurden in der Schweiz an einigen Orten entdeckt, doch einzig die Bohrung von Finsterwald wurde kommerziell genutzt, und zwar zwischen 1985 und 1994. Ihr Anteil am Gesamtaufkommen an Gas betrug indessen nie mehr als 1%.

Zu Beginn des betrachteten Zeitabschnittes besassen ungefähr 100 schweizerische Städte und grössere Ortschaften ein eigenes Gaswerk. Das Gas deckte rund 2-3% des gesamten Endenergiebedarfs und wurde vor allem zum Kochen benutzt. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges ergaben sich bei der Kohle Beschaffungsprobleme, so dass auch die Gasabgabe eingeschränkt werden musste. Erst 1927 wurde der Wert von 1916 wieder erreicht, bis 1940 erfolgte dann eine stetige Steigerung um rund 3% pro Jahr. Ab 1942 musste das Gas kontingentiert werden, weil die Versorgungslage mit Kohle sich laufend verschlechterte. Im Jahre 1945 erreichte die Gasabgabe ein Minimum mit nur etwa 60% des Wertes von 1939. Im Frühjahr 1947 wurde die Kontingentierung aufgehoben, in der Folge stieg der Gasverbrauch zwar stetig bis 1968, aber mit Wachstumsraten von 1-2%, was einen Rückgang des Anteils am Endenergieverbrauch von rund 3% auf 1% bedeutete.

Ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre wurde aus wirtschaftlichen Gründen in mehreren Städten die Eigenproduktion eingestellt. Die Versorgung dieser Städte erfolgte über regionale Fernleitungsnetze. Dies ermöglichte zudem eine Steigerung des Gasabsatzes und erleichterte die Einführung des Erdgases in den Jahren ab 1969.

Mit der Einführung des Erdgases wurde der stetige Rückgang des Gasanteils an der Energieversorgung schlagartig gestoppt. Der Bezug des Erdgases aus einem internationalen Leitungsnetz ermöglichte den Verzicht auf lokale kosten- und arbeitsintensive Gasproduktionsanlagen. Die entsprechende Kostenreduktion ermöglichte eine starke Reduktion des Preises. Dadurch wurde die Verwendung im Bereich der Niedertemperaturwärme (Gebäudeheizung und Warmwasseraufbereitung) wirtschaftlich möglich. Die Ölkrisen der siebziger Jahre und das wachsende Umweltbewusstsein schufen günstige Rahmenbedingungen für die Akzeptanz des Erdgases auf dem Wärmemarkt. Zwischen 1970 und 1975 wurde der Gasabsatz annähernd verdreifacht, darauf folgte ein kontinuierliches Wachstum mit einer durchschnittlichen Zuwachsrate bis 1985 von nicht weniger als 10% pro Jahr. Zwischen 1985 und 1998 betrug die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate noch gut 5%.

Im Zeitabschnitt zwischen 1970 und 1998 stieg der Anteil des Gases am gesamten Endverbrauch von 1% auf 11%.

 

Statischtische Methodik

Detaillierte Angaben über Rohstoffverbrauch, Gasabgabe, Koksverkauf usw. wurden bis 1972 durch den Schweizerischen Verein der Gas- und Wasserfachmänner (heute: Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches, SVGW) erhoben. Die Veröffentlichung der statistischen Angaben erfolgte teilweise erst ab Ende der sechziger Jahre in den Jahresberichten des VSG. Die Statistiken über die Gasabgabe beziehen sich bis 1970 immer auf das Werk, so dass für den Endverbrauch die Netzverluste geschätzt werden mussten (etwa 3%).

Der Energieinhalt des Stadtgases schwankt naturgemäss etwas von Werk zu Werk. Mit Ausnahme einer kurzen Periode gegen Ende des ersten Weltkrieges bewegte sich der Gebrauchsheizwert bis 1940 auf einer Höhe von rund 4500 kcal/m³. Während des Restes der Kriegszeit wurde er dann auf rund 3500 kcal/m³ herabgesetzt. Das Erdgas hat wegen seiner gänzlich anderern Zusammensetzung (rund 80% Methan) mit rund 8500 kcal/m³ einen viel grösseren Energieinhalt. Da die Statistiken über die Gssabgabe neben Angaben in m³ jeweils auch solche in einer Wärmeeinheit enthalten, mussten keine eigentlichen Umrechnungen vorgenommen werden.